Erstens: Der Zusammenhang zwischen der Binnenkonjunktur und der heimischen Börse ist überschaubar gering, da die überwiegende Mehrzahl der in Wien notierten Unternehmen global oder zumindest europäisch orientiert ist. Die Konsenserwartungen für das reale Wachstum der Weltwirtschaft liegen für 2022 bei 4,5 bis 4,9 %. Man kann Wachstum aufstauen, aber nicht aufhalten. Digitalisierung, Energiewende und Infrastruktur bleiben die Treiber. Damit ist der Boden für erfolgreiches Arbeiten aufbereitet.
Zweitens: Für die Börse Wien sind die internationalen Kapitalströme wesentlich wichtiger als die heimische Nachfrage. Gut 80 % der Streubesitzanteile des ATX-Prime-Index liegen in den Händen internationaler Investoren. Nach jahrelanger einseitiger Orientierung auf den Anlagestil „Growth“ hat auch „Value-Investing“ zuletzt wieder ein Comeback gefeiert. Mit den Branchen Finanz, Industrie, Energie und Immobilien ist Österreich ein klarer Value-Markt. In einem Umfeld erhöhter Inflationsraten auch 2022 und von sehr tiefen Niveaus leicht anziehenden Anleiherenditen sollte daher weiterhin Kapital nach Österreich fließen.
Drittens: Klarer Treiber der Entwicklung waren die Unternehmensgewinne. In den Herbstmonaten sind die Aktien günstiger geworden, da die Gewinne stärker gestiegen sind als die Kurse. Die Berichtssaison in Österreich verlief beeindruckend positiv, nur wenige Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel. Viele Unternehmen haben die Erwartungen souverän erreicht oder angehoben. Auffallend ist, dass auch die Bank- und Versicherungstitel zuletzt überzeugen konnten und auffallend ist auch, wie gut die Industrie steigende Input-Kosten an den Endverbraucher weitergeben kann. Dieser Rückenwind der Gewinnentwicklung wird auch in den kommenden Quartalen nicht abreißen.
Börsianer haben gerade in den vergangenen Jahren gelernt, demütig zu sein, was Kurzfristprognosen angeht - und ein Ausblick auf ein Jahr ist eine kurzfristige Perspektive. Auf Basis des aktuellen Zahlenwerks scheint aber auch ein positives Börsenjahr 2022 sehr wahrscheinlich.
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