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Editorial I Fondsjournal Mai 2023

Der Zinsgipfel ist erreicht

Der tägliche Konsum der globalen Informationsflut ergibt ein oft recht unklares Bild mit immer wieder auch bemerkenswerten Formulierungen und Entwicklungen. In Deutschland heißen neue Schulden „Sondervermögen“, der „Inflation Reduction Act” in den USA ist ein mächtiges Investitionsprogramm in grüne Energien, aber wohl kein Konzept um die Inflation zu senken.
Quelle: Shutterstock
Und wenn man liest, dass Chile, der zweitgrößte Lithium-Produzent der Welt, plant diese Industrie zu verstaatlichen, dann fragt man sich, ob Europa nicht gerade dabei ist, von einer Abhängigkeit in die nächste zu taumeln. Auch am Finanzmarkt führt der Blick auf die täglichen Wellen oft zu verzerrten Wahrnehmun-gen. Dies liegt auch daran, dass es eine klassische psychologische Falle ist, dass man sich immer jene Tage, die in das eigene Weltbild passen, länger und besser merkt, als jene Tage, die der eigenen Grundansicht widersprechen. Mit etwas Distanz und unvoreingenommen betrachtet, sind die Finanzmarktturbulenzen nicht so intensiv, wie oft wahrgenommen oder medial dargestellt. Staatsanleihen, Unternehmensanleihen und globale Aktien befinden sich seit September 2022 in einem breiten Bodenbildungs- und Seitwärtstrend, was angesichts der aktuellen Umbrüche ein gutes Zeichen ist.
 

 

FÜNF GEDANKEN FÜR KLAREN BLICK

Der Blick in den Rückspiegel ist an der Börse immer klar und logisch, der Blick durch die Frontschreibe dagegen oft unscharf. Wir möchten mit fünf Gedanken dazu beitragen, diesen Blick zu schärfen.
 

1) DER ZINSGIPFEL IST DA

Wir meinen, dass das zweite Quartal 2023 im Rückblick die Spitze des historisch aggressiven Leitzinserhöhungspfades markieren wird. Letzte finale kleine Schritte nach oben machen wohl Sinn, auch als klares Zeichen der Glaubwürdigkeit. Das sollte es dann aber gewesen sein. Wir denken – im Gegensatz zu vielen Marktteilnehmern – dass es noch nicht die Zeit ist, über Zinssenkungen zu diskutieren, aber es wäre wohl angebracht jetzt in den Beobachtungsmodus überzugehen. Dinge brauchen Zeit und bis Zinserhöhungen ihre reale Wirkung entfalten, dauert es mindestens 12 Monate. Der Erhöhungszyklus begann vor einem Jahr und da und dort zeigen sich aktuell die Schrammen und Schmerzen. Bis dato war die Politik von EZB und FED richtig und alternativlos. „Until the job is done“ hat FED-Chef Powell wiederholt angemerkt. Der Job ist weitgehend gemacht, jetzt wäre „wait and see“ wohl besser. Bei einem weiteren aggressiven Vorgehen würden die Risiken von Verwerfungen wohl deutlich zunehmen.
 

2) WIRTSCHAFTSWACHSTUM FLACH

Die Konjunkturerwartungen für 2023 haben sich zuletzt bei etwa 0,50 % bis 0,70 % für die USA und für Europa eingependelt. Für 2024 liegen die Schätzungen bei gut einem Prozent. Die Weltwirtschaft dürfte 2023 um etwa 2,7 % und 2024 um 3,0 % zulegen. Insgesamt sind die globalen Konjunktursignale aber nicht stimmig. Viele Stimmungsindikatoren sind solide, wir sollten aber nicht vergessen, wie rasch sich gerade diese Indikatoren in den vergangenen drei Jahren nach oben oder unten verändert haben. Viele monetäre Indikatoren sind dagegen sehr negativ. Die Geldmenge in den USA sinkt im Rekordtempo. Der Kapitalabfluss bei Regionalbanken ist noch nicht gestoppt und dass Apple in den USA gerade jetzt eine CashVerzinsung von gut 4 % auf Sparkonten anbietet, ist auch ein bemerkenswerter Nebenaspekt. Wenn wir versuchen, die Fülle der Indikatoren auf eine Meinung zu komprimieren, dann meinen wir, dass aktuell die negativen Revisionsrisiken für die Wirtschaft höher sind als die positiven, vor allem in den USA.
 

3) US-DOLLAR: EINSEITIGE STÄRKE VORBEI

Der US-Dollar wird noch lange Weltwährung Nummer 1 bleiben, die einseitige Stärke scheint jedoch vorbei, auch weil ein möglicher Zinssenkungszyklus der Zukunft in den USA früher beginnen wird, als etwa in der EURO-Zone. Wir halten viele Aktienbestände in den USA, weil die Quali-tät der Unternehmen überzeugt und wesentliche Megatrends dort geprägt werden. Die in den vergangenen Jahren nahezu zur Gewohnheit gewordenen Währungsgewinne planen wir aber definitiv nicht mehr ein. „Saudi Arabien denkt darüber nach, China Öl in Yuan statt in Dollar zu verkaufen“. Dies war nur eine von vielen Schlagzeilen in diese Richtung in den vergangenen Wochen. In vielen Emerging-Markets in Asien, Lateinamerika und auch Afrika gibt es ähnliche Diskussionen. Als Folge der US-Sanktionen gegen die russische Notenbank fürchten immer mehr Länder, auch ihre Dollar-Guthaben könnten im Konfliktfall eingefroren werden und wollen sich vorsorglich vom US-Dollar unabhängiger machen. Ein Prozess, der wohl Jahre dauert, aber offenbar gerade beginnt.
 

4) AKTIENMÄRKTE NICHT BILLIG UND NICHT TEUER

Die Bewertung des globalen Aktienmarktes liegt in etwa im Schnitt der vergangenen 20 Jahre und ist somit unspektakulär. Regionale Unterschiede gibt es wie immer. Das erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Basis der Gewinnerwartungen für die kommenden 12 Monate liegt in den USA bei etwa 18 bis 19 und in Europa bei etwa 13 bis 14. Nebenmärkte wie viele Emerging-Markets oder auch die Börse in Wien liegen teilweise deutlich darunter. Die Berichtssaison der Unternehmen ist solide. Viele der bekannten Weltmarktführer aus den Bereichen Konsum oder Technologie schaffen es aufgrund ihrer Marktmacht die Preissteigerungen weiterzugeben, in vielen Fällen sogar zu überkompensieren. Diese Unternehmen werden daher ihrem Sachwerte-Charakter voll gerecht. Dennoch scheint insgesamt vorerst eine Fortsetzung des Seitwärtstrends wahrscheinlich. Ein strukturell positives Szenario für die Aktienmärkte wären Inflationsraten von 2 % bis 4 % und wieder tiefere Leitzinsen als aktuell. Dieses Szenario wird wohl 2024 eintreten, es jetzt einzupreisen erscheint zu früh. Der geduldige Investor sieht die aktuelle Lage entspannt, denkt wie ein Strate-ge – und nicht wie ein Händler. Das aktuelle Umfeld ist bestens geeignet für einen schrittweisen Aufbau, die maximalen Gewichtungsgrenzen nutzen wir aber aktuell noch nicht aus.
 

5) ANLEIHEMÄRKTE – DAS ZEITFENSTER IST OFFEN

Auch die Anleihemärkte sind seit Monaten in einer Bodenbildungsphase, die Zinswende der Notenbanken scheint damit verarbeitet. Wir halten die aktuellen Niveaus für attraktiv – in der absoluten Welt und auch in der relativen Welt zu anderen Asset-Klassen. Kurzfristige EURO-Staatsanleihen mit einem Jahr Laufzeit bewegen sich jenseits der 3 %-Grenze. Unternehmensanleihen im soliden Investmentgrade-Bereich bringen bei Laufzeiten von 5 Jahren Renditen jenseits der     4-%-Marke. Dreht man etwas an der Risikostufe und investiert in Hochzinsanleihen oder Hybrid-Anleihen, dann kann man sich auf Niveaus von 6 % vorbewegen. Die Inflationsraten haben den Höhepunkt gesehen, auch wenn in Österreich dies etwas anders wahrgenommen wird, weil der Rückgang hier merklich langsamer ausfällt als in vergleichbaren Ländern. Für die kommenden Monate rechnen wir im Anleihebereich mit keinen wesentlichen Kursgewinnen- oder Verlusten. Im Prinzip das ideale Szenario, weil damit die aktuellen Renditen entsprechend der Erwartung beim Kauf auch verdient werden.


ÜBERGANGSPHASEN BRAUCHEN ZEIT

Der Zinserhöhungszyklus ist nahe am Gipfel, der Inflationszyklus hat seinen Höhepunkt überschritten und für einen neuen Wachstumszyklus der Wirtschaft ist es noch zu früh. Übergangsphasen dieser Art benötigen Zeit. Wichtig ist, dass wir in keiner der uns zu Verfügung stehenden Asset-Klassen Euphorie oder Übertreibungen sehen. Vorsicht und Zurückhaltung sind eher angesagt, was immer ein gutes Umfeld für Investments ist. Im Blick in den Rückspiegel wird die Lage wieder klar sein. Der Blick nach vorne hat dieses klare Bild nicht, hat er aber ohnehin nie. Wir sehen dennoch eine Vielzahl von Investitionsmöglichkeiten, bei denen die Chancen die Risiken deutlich überwiegen.

Ihr Alois Wögerbauer

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