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Editorial I Fondsjournal Juli 2023

Halbjahr - eine Zwischenbilanz

Halbzeit. Die ersten sechs Monate des Jahres 2023 liegen hinter uns. Auch wenn uns die vergangenen Jahre im Umfeld von Corona und Russland-Ukraine-Krieg eindrucksvoll bewiesen haben, wie schwierig die Prognose der Zukunft ist, so bleibt es dennoch die Aufgabe sich zu positionieren.
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Halbzeit ist auch die Chance oder eher sogar Pflicht, die Taktik mit der man in das Jahr gestartet ist, zu prüfen, gegebenenfalls zu adaptieren und einen Plan für die zweite Halbzeit zu entwickeln. Müsste man aus den unzähligen Zitaten der vergangenen Monate eines auswählen, so wäre wohl FED-Chef Jerome Powell angebracht: “Until the job is done.” Dahinter steckt die klare Botschaft, die Zinsen so lange zu erhöhen oder hoch zu halten, bis die Inflation besiegt ist. Zusammengefasst ist daher die Erkenntnis des ersten Halbjahres: Die Wirtschaft hält sich besser als erwartet, die Unternehmensgewinne lagen über den Erwartungen und die Notenbanken bleiben länger restriktiv als angenommen. Ob damit auf Ebene der Zinspolitik auf “zu langsam, zu wenig” nun die Gefahr von “zu rasch, zu viel” folgt, wird wohl zentrale Frage des zweiten Halbjahres werden.
 

 

10 GEDANKEN

Mit zehn Gedanken möchten wir das aktuelle Umfeld skizzieren, uns etwas von der Tagesaktualität lösen und den Blick nach vorne schärfen.

Gedanke 1
LEITZINSEN: „HIGHER FOR LONGER“
„Die US-FED wird den Leitzins in den 5 %-Bereich bewegen, der Leitzinsweg der EZB wird bis 3,5 % führen“, so unsere Formulierung im Jahresausblick 2023. Zinssenkungen im weiteren Jahresverlauf 2023 haben wir auch damals schon ausgeschlossen. Was die EZB betrifft, waren wir zu defensiv. Der Gipfel wird wohl bei 4,25 % oder sogar 4,50 % liegen. Dass sowohl in den USA als auch im EURO-Raum aus dem Gipfel vorerst ein Hochplateau werden wird, ist mittlerweile Konsens. Damit liegt, begonnen im Sommer 2022, eine einzigartige Zinswende hinter uns – von Null kommend. Historisch betrachtet dauert es 12 bis 18 Monate, bis Zinserhöhungen ihre Wirkung in der Realwirtschaft entfalten. Man könnte daher auch etwas auf Zeit spielen. Die Gefahr, dass man zu aggressiv vorgeht, um Fehler der Vergangenheit auszumerzen, nimmt doch deutlich zu.

Gedanke 2
INFLATION - DIE RICHTUNG STIMMT, ABER DAS ZIEL SCHEINT (ZU) AMBITIONIERT
„Im Jahresschnitt 2023 sollte sich die Inflation in den USA in den 4 % Bereich zurückbewegen, im EURO wird eine Zahl von 6 % erwartet“ (Leitplanken Jänner 2023). In beiden Regionen stimmt die Richtung, die EZB hat jüngst die Erwartungen für die EURO-Zonen-Inflation 2023 auf im Jahresschnitt 5,4 % revidiert. Umso mehr ist der klare Kurs der Notenbanken bemerkenswert. Auch ist bemerkenswert, dass man klar am 2 % Ziel festhält. Ob dies im Umfeld unserer demografischen Herausforderungen realistisch ist, ist zu bezweifeln. Für 2024 scheint es wohl noch nicht erreichbar. Dieses Ziel leicht aufzuweichen, könnte mittelfristig besser sein, als mit den Zinserhöhungen zu überziehen.

Gedanke 3
ÖSTERREICH ALS INFLATIONSSONDERFALL?
Die österreichische Inflationsrate liegt um gut 2,5 % über dem Schnitt der EURO-Zone. Viele Kommentare aus politischen Richtungen zeigen ein doch bemerkenswertes ökonomisches Missverständnis. Das aktuelle Inflationsumfeld ist nicht getrieben von außerordentlich hoher Nachfrage, sondern im Wesentlichen von zu wenig Angebot. Das Angebot ist mit Geldpolitik nicht veränderbar, also ist es der klare Plan der EZB, durch rasante Zinserhöhungen die Nachfrage zu bremsen und damit den Preisauftrieb zu stoppen. Wenn aber die gleichen politischen Stellen zuerst die EZB zu Zinserhöhungen auffordern, aber dann alles unternehmen, um den gewünschten und nötigen Nachfragerückgang nicht eintreten zu lassen, dann scheint das kein kluger Plan zu sein. Das österreichische Grundverständnis, dass die Löhne „zumindest“ mit der Inflation ansteigen, ist historisch gewachsen – und wir möchten das an dieser Stelle nicht kritisieren. Im europäischen Vergleich ist dieses Grundverständnis aber eher die Ausnahme. Sozial Bedürftigen zu helfen, ist sozial und auch ökonomisch richtig. Aber breit Geld zu verteilen ist die falsche Antwort auf Inflation. Inflation bedeutet sehr vereinfacht, dass es mehr Geld als Waren gibt. Die heimische Inflationsrate wird daher noch geraume Zeit über dem EURO-Schnitt bleiben.

Gedanke 4
ENTKOPPLUNG VON BESCHÄFTIGUNG UND WACHSTUM?
Aufgrund des Arbeitskräftemangels zögern die Unternehmen vor Entlassungen, selbst wenn die Nachfrage nachlässt und das Wachstums stagniert. Dies hat dazu geführt, dass das Beschäftigungswachstum in den USA in den vergangenen Monaten anders als in historischen wirtschaftlichen Schwächephasen robust erscheint, auch wenn einige Daten darauf hindeuten, dass eine leichte Rezession bereits eingetreten ist. Der gewohnte direkte Zusammenhang zwischen Konjunktur und Arbeitsmarkt scheint daher nicht mehr gegeben, das stellt auch die Zinspolitik vor eine neue Herausforderung. Die wahre Verfassung der Wirtschaft könnte schwächer sein, als es der sehr solide Arbeitsmarkt vermuten lässt. Es ist schwer, strukturelle demografische Veränderungen mit steigenden Zinsen zu bekämpfen. „Das Konjunkturrisiko 2023 könnte daher entgegen der Konsenserwartung eher im 2. Halbjahr liegen“ – wir stehen zu dieser Aussage in unserem Jahresausblick.

Gedanke 5
KONJUNKTUR - "SOFT-LANDING" SCHEINT IMMER NOCH MÖGLICH
Aber: Trotz manch dunkler Wolke scheint insgesamt das so genannte „Soft-Landing“ der Wirtschaft immer noch möglich. Lassen Sie sich auch von den medial zuletzt verwendeten Begriffen wie „technische Rezession“ nicht verwirren. Ob die Wirtschaft um 0,30 % wächst oder 0,30 % schrumpft, ist nicht der dramatische Unterschied, als der er oft dargestellt wird. Eine echte und schmerzhafte Rezession wird aus heutiger Sicht nicht eintreten. Angesichts der Zinswende historischer Dimension ist dies bemerkenswert und im geschichtlichen Vergleich eher die Ausnahme. Aber auch auf dieser Ebene unterstützt der solide Arbeitsmarkt. Wer eine Jobsicherheit verspürt, ändert wenig an seinem Konsumverhalten, was auch die Indikatoren auf Ebene Verbrauchervertrauen durchaus bestätigen.

Gedanke 6
ANLEIHEN - AUCH IM WEITEREN JAHRESVERLAUF ATTRAKTIV
„Anleihen sind wieder Ertragsbringer und nicht mehr Vermeidungsstrategie von Null- und Negativzinsen. Diese fundamentale Trendwende ist in vielen Köpfen noch nicht so richtig angekommen.“ Auch nach sechs Monaten bestätigen wir unsere Formulierung und schreiben diese Empfehlung auch in das zweite Halbjahr weiter. Bei Renditen von aktuell etwa 4,4 % für Unternehmensanleihen auf Ebene Investmentgrade und 6 % und mehr bei Hybrid- oder Hochzinspapieren sicherte alleine der laufende Zinsertrag ein positives Halbjahresergebnis, auch wenn die Kurse im Wesentlichen seitwärts gingen. Auch die Analyse diverser Szenarien ändert nichts an unserer Überzeugung. Natürlich sind im Falle einer Wirtschaftsschwäche auslaufende Zinsvorsprünge bei Unternehmensanleihen möglich und wahrscheinlich. Im Gegenzug sollten aber die in diesem Fall wohl auf Sicht sinkenden Basiszinsen und Staatsanleiherenditen diesen Effekt abschwächen. Risiko wird wieder belohnt, damit macht es im Gegensatz zu den vergangenen 10 Jahre wieder Sinn, sich auch im Anleihebereich mit riskanteren Strategien zu beschäftigen.

Gedanke 7
AKTIENMARKT BEMERKENSWERT SOLIDE
„Für steigende Aktienkurse braucht es Treiber, Alternativen sind mit Anleihen da. Somit erscheint im ersten Halbjahr eher ein Seitwärtstrend wahrscheinlich.“ Im Rückblick waren wir mit dieser Positionierung in unserem Jahresausblick etwas zu defensiv. Vier Gründe haben wohl zu dieser doch besser als erwarteten Entwicklung geführt. Erstens: Unter dem Eindruck der Energiesorgen im vierten Quartal 2022 ging die Mehrzahl der Investoren sehr vorsichtig und skeptisch ins neue Jahr. An der Börse passiert aber sehr oft das Gegenteil von dem, was alle erwarten. Zweitens: Aktien sind Sachwerte. Bei hartnäckiger Inflation wird auch die Substanz innerhalb der Unternehmen eben mehr wert. Drittens: Die Gewinnausweise waren besser als erwartet. Es gelang in der Mehrzahl der Fälle die Kostensteigerungen voll weiterzugeben, in manchen Fällen sogar zu überkompensieren. Viertens: Die Entwicklung vor allem in den USA ist von einigen wenigen Tech-Riesen geprägt, was den Gesamteindruck positiv verzerrt.

Gedanke 8
AKTIENMARKT MIT HOHER KONZENTRATION AUF WENIGE WERTE
Einer der auffälligen Trends des Jahres 2023 ist die historisch einzigartige Konzentration auf wenige Titel und insgesamt eine klare Outperformance der "Großen“. Der anerkannteste amerikanische Aktienindex besteht aus 500 Einzelunternehmen. Apple und Microsoft machen bereits etwa 14 % des Index aus. Die größten fünf Unternehmen kommen auf knapp 25 % Indexgewicht, der Rest entfällt auf 495 Unternehmen. Würde man alle Aktien gleichgewichten, so wäre die die Entwicklung 2023 um etwa 10 % schlechter als im kapitalgewichteten Index. Im renommierten Weltindex hätte die Gleichgewichtung etwa 5 % im Vergleich zur Kapitalgewichtung gekostet. Grundsätzlich sind solche Marktkonzentrationen nicht gut, können aber sehr lange Bestand haben, was ein Timing schwierig macht. In vielen unseren Strategien kommt uns diese Entwicklung nicht gelegen, da wir gleichgewichtete Ansätze verfolgen. Als verantwortungsvolle Asset-Manager werden wir aber weiterhin die Diversifikation hoch halten und einseitige Klumpenrisiken vermeiden, auch wenn uns diese Strategie nicht jedes Jahr recht gibt.

Gedanke 9
GEOPOLITIK UND GELDANLAGE
Wie kann ich meine Geldanlage auf die Wirren der Geopolitik einstellen? Dies ist eine sehr häufig an uns gerichtete Frage. Unsere Antwort ist für die Fragenden meist unbefriedigend: Wenig bis gar nicht. Gerade die jüngsten Entwicklungen in Russland haben gezeigt, dass es sogar an einem einzigen Wochenende mehrere Wendungen geben kann. Ohne die Tragik des Krieges Russlands gegen die Ukraine auch nur annähernd zu relativieren, so haben sich die Finanzmärkte an dieses Thema „gewöhnt“, was echte Handlungsableitungen nicht möglich macht. Eine Konfrontation Chinas mit Taiwan kann in fünf Monaten stattfinden – oder in fünf Jahren. Wer auf eine Welt ohne Probleme wartet, wird nie investieren. Die einzige Antwort auf die Geopolitik bleibt daher das Vermeiden von einseitigen Meinungen und Positionierungen, gepaart mit einer zwingend globalen Diversifikation, da die Geschichte uns lehrt, dass kaum alle Weltregionen zur gleichen Zeit Probleme haben.

Gedanke 10
DIE PORTFOLIOKONSTRUKTION IM SOMMER 2023
Geldanlage ist individuell, je nach Umfeld von Anlagehorizont und Risikotragfähigkeit. Ein Standardportfolio mit mittelfristigem Horizont bauen wir aktuell mit folgenden Leitplanken. Wir investieren mindestens 50 % in den Anleiheteil. Dort sind wir weitgehend voll investiert und wagen uns risikobewusst und wohldosiert auch in riskantere Segmente wie Hochzinsanleihen, Hybrid-Anleihen oder Anleihen aus Emerging-Markets vor. Für den Aktienbereich sehen wir etwa 40 % vor, nutzen diesen Teil aber aktuell nur etwa zu zwei Drittel aus und warten die weitere Entwicklung ab. Wir vermeiden Extrempositionierungen, achten auf globale Ausgewogenheit – und kaufen eben nicht nur konzentriert die aktuellen fünf High-Flyer. Maximal 10 % sehen wir für die Ecke Rohstoffe/Gold vor. Von den mittelfristigen Aussichten vor allem für Industriemetalle wie Kupfer & Co sind wir überzeugt; aufgrund der aktuell eher schwächelnden Konjunktur nutzen wir aber derzeit nur die Hälfte dieser 10 % Marke aus. Ob der Börsensommer turbulent oder ruhig wird, werden wir im September wissen. Mit dieser Aufstellung fühlen wir uns aber auf diverse Szenarien gut vorbereitet.
 

BLEIBEN SIE AUSGEWOGEN

Bleiben Sie ausgewogen im Denken und Handeln und bleiben Sie uns gewogen. Wir wünschen Ihnen einen erholsamen Sommer und melden uns im September mit unserem Monatskommentar wieder zurück.

Ihr Alois Wögerbauer

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