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Zurück Herbststurm oder Spätsommer

Editorial I Fondsjournal Oktober 2021

Herbststurm oder Spätsommer

Wenn etwas Außergewöhnliches über längere Perioden anhält, dann besteht die Gefahr, dass es als normal wahrgenommen wird, obwohl es immer noch außergewöhnlich ist. Die Schwankungen des breiten amerikanischen Aktienmarktes lagen in den vergangenen zwölf Monaten ungewöhnlich tief.
Quelle: Shutterstock

Es gab keine Korrektur von mehr als 5 %, eine solche Phase gab es seit 1980 nur zwei Mal. Normal ist es deswegen noch lange nicht. Sollten im Herbst 2021 die Schwankungen zunehmen, wovon wir ausgehen, dann sehen Sie dies als Rückkehr zur Normalität. Grund zur Aufgeregtheit ist dies nicht, auch wenn die mediale Berichterstattung Ihnen genau das vermitteln wird. Die US-Konjunktur läuft in den vergangenen Monaten ausgezeichnet, die Inflationsrate bewegt sich im 5 %-Bereich. In diesem Umfeld lagen die Renditen der 10-jährigen US-Staatsanleihen bei etwa 1,25 % und bewegten sich erst in den vergangenen Tagen Richtung 1,50 %. Ist dies rational zu erklären und normal? Eher nein, die Renditen sind rational betrachtet zu tief. Auch hier wären weitere leichte Anstiege kein Grund zur Sorge, wie auch immer die Reaktion der Märkte sein mag. Es wäre eine normale Entwicklung. Die zentrale Aufgabe für das letzte Quartal 2021 wird daher sein, die Rückkehr zur Normalität von einer echten nachhaltigen Trendwende zu unterscheiden.

 


10 GEDANKEN FÜR DEN HERBST 2021

In einer sehr komplizierten Meldungslage den klaren Blick zu behalten bleibt anspruchsvoll. Wir möchten dies mit 10 Gedanken für den Herbst 2021 begleiten, immer versehen mit dem Hinweis, dass man manche Entwicklungen ganz einfach abwarten muss. Dann mit ruhiger Hand beherzt zu reagieren, ist besser als jetzt vorschnell zu agieren.

1) China baut konsequent um

Die Eingriffe Chinas in den Markt sind massiv und werden im Rückblick als historische Wende bezeichnet werden, auch wenn aktuell die Berichterstattung in den heimischen Medien bemerkenswert gering ist. Billigere Bildung oder Einschränkung der Macht der Internetkonzerne sind die offiziellen Argumente. Dass man ganz einfach kontrollieren will, welche Inhalte in Schulen unterrichtet und in den Social-Media-Kanälen verbreitet werden, kommt der Realität wohl näher. Wenn das Zeigen von Luxusartikeln aufgrund der neuen Linie der Partei als gesellschaftlich nicht mehr opportun angesehen wird, dann werden dies auch manche Konzerne aus Europa spüren. Die jüngsten Konsensschätzungen für das Wirtschaftswachstum Chinas liegen bei 8 % für 2021. Wir halten dies für zu hoch und ziehen uns vorerst zurück. Kommunistische Grunddenke führt nicht zu Wirtschaftswachstum.

2) Energiepreise - das neues Thema

Die Gaspreise sind zuletzt regelrecht explodiert. Auch im Ölbereich besteht die Wahrscheinlichkeit, dass eine „Welt ohne Öl“ nicht so rasch funktionieren wird, wie mancherorts gewünscht. Die Sorge vor einem „Blackout“, einem Ausfall der Stromversorgung, ist groß, ganz speziell in Großbritannien. Am Ende werden es viele wieder schon gewusst haben, wie immer bei Krisen. Ein kalter Winter könnte nicht nur dort für Stress sorgen. Wenn Konzerne aus dem Bereich Chemie oder Düngemittel aufgrund der steigenden Energiekosten beginnen ihre Produktion zu senken, dann wird dies vor allem einen Effekt haben: Aufgrund der hohen Nachfrage steigen die Preise für die Endprodukte…

3) Lohnkosten – das nächste Thema

Bemerkenswerte zwei Jahre liegen hinter uns. Die Sorge vor einer coronabedingten historischen Rezession wurde abgelöst von einem sogenannten Wachstumsschock. Kein Lehrbuch sah das vor. In Unternehmensumfragen ergibt sich ein klares Bild. Der Arbeitskräftemangel ist Sorge und Herausforderung Nummer Eins, mit klarem Abstand zu anderen Themen. Viele Unternehmen könnten deutlich stärker wachsen, wenn sie nur das nötige Personal für eben dieses Wachstum sicherstellen könnten. Steigende Löhne sind logische Folge dieser Knappheit. Folgewirkungen steigender Löhne auf die Inflation und die Inflationserwartungen sind daher nur eine Frage der Zeit.

4) Inflation – doch nicht temporär?

Die Knappheit an Speicherchips wird länger dauern als erwartet und die Preise für alle Technologiebereiche erhöhen. Die Energiepreise sind ein neues und wohl deutlich unterschätztes Thema, die Probleme in den Lieferketten entspannen sich wesentlich langsamer als erhofft. Die vom Markt in allen Asset-Klassen gepreiste und auch von uns bis dato präferierte Meinung, dass die höheren Inflationsraten eine temporäre Erscheinung sind, ist nur mehr beding aufrecht zu erhalten. Die kommenden Wochen und Monate werden Klarheit bringen, das Inflationsthema wird uns aber wohl länger und hartnäckiger beschäftigen als noch vor einigen Monaten zu erwarten war. Leiten Sie daraus aber keine vorschnellen Anlageentscheidungen ab.

5) Zinswende? Verwerfungen JA, Wende NEIN.

Kurzfristige oder auch mittelfristige Verwerfungen an den Anleihe- und Aktienmärkten sind immer möglich, aber wir sehen sehr gefestigt keine nachhaltigen Trendwenden. Mögen sich Negativrenditen bei Staatsanleihen abschwächen, mögen die US-Staatsanleihen einen weiteren Renditedruck nach oben sehen. Wir sehen dies als Wellen auf tiefen Niveaus, als – wie schon oft in diesem Monatskommentar zitiert – Normalisierung. Dass die Anleiherenditen – abgesehen von zwischenzeitlich durchaus starken Schwankungen – den Aktienmarkt nachhaltig in die Knie zwingen, sehen wir nicht. Die Dividendenrendite des renommierten Welt-Aktienindex liegt aktuell bei knapp unter 2 %...

6) Die Staatsschulden – kein akutes Thema

Die Staatsverschuldung in Relation zu einer jährlichen Wirtschaftsleistung liegt in der EURO-Zone aktuell bei etwa 100 %. Jene von Italien liegt bei gut 150 %, was dazu führt, dass wiederholt in vielen Kommentaren das Land als „Pleitekandidat“ gehandelt wird. Eine Einschätzung, die wir nie geteilt haben und weiterhin nicht teilen. Ein globaler Blick hilft. Die innereuropäischen Diskussionen sind Teil eben dieser aktuellen innereuropäischen Konstruktion. Aber: Die Staatsverschuldung der USA liegt aktuell bei knapp 130 % der jährlichen Wirtschaftsleistung. Die offensiven Pläne der Regierung Biden werden rasch zu einem Überschreiten der 140 %-Marke führen. Sind die USA deswegen ein Pleitekandidat? Kein Mensch wird diese These ernsthaft vertreten wollen. In diesem Fall ist „normal“ wohl wirklich die neue Normalität.

7) Die Zinsen zählen, nicht die Schulden…

Im Jahr 2010 lagen die Zinszahlungen des Staates Österreich bei knapp unter 7 Milliarden EUR pro Jahr. Im Jahr 2021 liegen diese Zinszahlungen bei klar unter 4 Milliarden EUR, obwohl die Schulden in diesen gut zehn Jahren deutlich gestiegen sind. Übrigens: Auch in Italien sinkt die jährliche Zinsbelastung bei deutlich steigenden Schulden. Dieser Trend wird sich fortsetzen, da jede zurückgezahlte Anleihe einen höheren Kupon hat als die neu begebene. Die Gewaltentrennung zwischen Notenbanken und Politik ist längst Geschichte. Die EZB-Chefin agiert nicht gegen die Politik, sondern in Absprache mit ihr. Was auch immer Sie in den kommenden Wochen und Monaten lesen werden, eine Zinswende ist politisch nicht gewünscht, daher wird sie auch nicht stattfinden. Eine gewisse höhere Inflationsrate ist finanzpolitisch gewünscht, da in diesem Umfeld die Schuldenlast weniger belastend ist. Eine Bestätigung dieser Ansicht werden Sie in den offiziellen Aussagen nicht finden.

8) Gold – nüchtern betrachtet enttäuschend…

Wir haben seit vielen Jahren zu Gold einen sehr emotionslosen und pragmatischen Zugang, nachzulesen in vielen unserer Monatskommentare. Beimischung klares JA, Gewichtungen von über 10 % des Kapitals NEIN. Aktuell haben wir in unseren Strategien diese Maximalquote zu nur unter 50 % ausgenützt. Massive Gelddruck-Aktivitäten der Notenbank, Inflationsraten auf dem höchsten Niveau seit Jahren und in China taumelt ein wesentlicher Immobilienkonzern, ein Set-Up an Zahlen, das mehr Pro-Gold wohl kaum sein kann. Dennoch keine Reaktion. Sind mittlerweile Kryptowährungen das neue Gold? Wir bleiben gelassen und sind nicht überexponiert. Die kommenden Monate werden wohl eine Entscheidung bringen. Aus heutiger Sicht sind sowohl Zukäufe als auch Verkäufe möglich. Vorgreifen wollen wir nicht, eine deutliche Übergewichtung von Gold in Relation zu den anderen Anlageklassen ist aktuell jedoch schwer argumentierbar.

9) Bleiben Sie ausgewogen

Es gibt Zeiten für klare und mutige Positionierungen und es gibt Zeiten für ausgewogene Gewichtungen. Letzteres ist aktuell der Fall. Wir halten für die kommenden Monate folgende Kausalkette für wahrscheinlich. Die US-Renditen haben Aufwärtsdruck, die Inflationsraten bleiben hoch. Dies gibt Rückenwind für Value-Aktien, reine Wachstumsaktien aus der Ecke Digitalisierung haben Gegenwind. Österreich sollte weiter gut laufen. Dass der Markt 2021 bereits etwa 30 % im Plus ist, sagt wenig aus. Vieles ist eine Gegenreaktion zum schwachen Jahr 2020. Die Wiener Börse ist geprägt von Finanzaktien und von Industrietiteln, aktuell eine gute Ausgangslage. Dass viele Unternehmen das Gefühl haben, dass sie mehr verkaufen könnten, wenn sie mehr Kapazitäten hätten, wird regional und auch global einen Investitionszyklus auslösen. Mittelfristig wird sich die Erkenntnis durchsetzen, dass die Digitalisierung am Beginn und nicht am Ende steht. Wachstumsaktien werden langfristig auch profitieren.
Als Fondsgesellschaft agieren wir im Aktienbereich mit den Themen Dividende, Value, Wachstum und Sachwerte. Langjährige Leser unserer Kommentare wissen, dass wir keine klaren Meinungen scheuen. Wenn aber so wie jetzt der Ausgang offen ist, dann bleibt nur ein Fazit: Keine Extremmeinungen, alle Bereiche abdecken. Die Zukunft wird wieder klarere Aussagen ermöglichen. Wir halten uns an eine sehr alte Börsenweisheit: Lieber ungefähr richtig liegen als total falsch.

10) Ein „Matchplan“ ist immer wichtig

Wichtig ist in jeder Phase – ob klar oder unklar – einen „Matchplan“ zu haben. Es wird ein ewiges Phänomen der Aktienmärkte bleiben, dass die Mehrheit der Anleger nach einem Rückgang von beispielsweise 15 % skeptischer ist als vorher. Die Mehrheit denkt darüber nach auch zu verkaufen. Die Minderheit freut sich über 15 % tiefere Kaufkurse.
Wir gehen daher mit einem klarem Matchplan in die letzten drei Monate des Jahres 2021. Wir wissen, dass wir diesen Plan je nach Spielverlauf optional auch ändern müssen, aber man kann ohne Plan in kein Match gehen. Wir gehen davon aus, dass das Thema Inflation noch einmal intensiv an die Finanzmärkte zurückkehrt. Wir gehen von steigenden Schwankungen am Aktienmarkt aus. Unsere Gedanken kreisen aber über der Frage, wann wir zukaufen und nicht über der Frage, ob wir verkaufen. Wir gehen davon aus, dass das gesamte Umfeld aus konsistent höheren Inflationsraten als Zinsen langfristig Sachwerte wie Aktien begünstigt. Wir gehen davon aus, dass die Notenbanken angesichts der Fragilität des Gesamtbildes im Zweifel zu früh marktstützend eingreifen werden und im Zweifel zu spät Zinserhöhungen diskutieren werden. Wir gehen vorerst von eher steigenden Renditen am Anleihemarkt aus, würden dies aber eher als Kaufchance sehen, da wir eine Zinswende über Jahre für unwahrscheinlich halten. Wir wollen aktuell keine klaren Über- oder Untergewichtungen in Stil-Fragen wie Value oder Growth. Die Zeit dafür wird wiederkommen, aktuell drängt sich keine klare Meinung auf. Ähnlich pragmatisch sehen wir Gold. Die Meldungslage der kommenden Monate wird klären, ob klare Zukäufe oder weitere Vorsicht angesagt sind.
Soweit unser Matchplan. Wie im Fußball hängt der Erfolg eines Matchplans auch vom Gegner ab, in unserem Fall der Finanzmarkt. Ein Update über den Spielverlauf finden Sie mit Beginn November in diesem Kommentar.

 

Ihr Alois Wögerbauer

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