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Editorial I Fondsjournal Juni 2023

KI - ein "iPhone-Moment"?

“Die jüngste Entwicklung von KI, Künstlicher Intelligenz, ist ein iPhone-Moment”, so die Führung von Chip-Hersteller NVIDIA im jüngsten Analysten-Call im Rahmen der Bekanntgabe der Quartalsergebnisse. Mit einem “iPhone-Moment” ist eine bahnbrechende Neuentwicklung gemeint, welche die Welt verändert, so wie seinerzeit die Vorstellung des iPhones von Apple.
Quelle: Shutterstock
Erfahrene Börsianer pflegen eine gewisse Vorsicht bei Hypes. Zu viele Beispiele gibt es in der Vergangenheit, Themen wie 3D-Druck, seltene Erden oder der erste Wasserstoff-Hype seien hier nur beispielhaft angeführt. Aber der Vergleich hinkt. KI hat mehr Potential die Welt zu verändern, als alle die angeführten Themen der Vergangenheit zusammen. Erste Schätzungen gehen davon aus – und dies sei mit aller gegebenen Vorsicht zitiert – dass KI einen mittelfristigen Produktivitätsfortschritt der Unternehmen bringt, der das Wirtschaftswachstum mittelfristig global um bis zu 0,40% ansteigen lässt. Suchen Sie daher nicht nach dem einen KI-Gewinner. Versuchen Sie vor allem Verlierer zu vermeiden und überlegen Sie sich die grundsätzlichen Folgewirkungen. Steigende Produktivität ist immer eine gute Nachricht für den Aktienmarkt.
 

„DER MARKT“…

„Der Markt“ und „der Index“ sind täglich verwendete Formulierungen in allen gängigen Börsenberichten. Dass sich „der Aktienmarkt“ angesichts flauer Konjunktur und einer Zinswende historischer Dimension bemerkenswert gut hält, ist eine Erkenntnis der vergangenen Wochen. Was „der Markt“ im Detail ist, geht mangels differenzierter Analyse in den diversen Kommentaren oft unter. Vor allem in den USA sehen wir eine bemerkenswerte Konzentration auf einige wenige hochkapitalisierte Unternehmen.
NVIDIA, ein führender Anbieter von Grafikprozessoren und leistungsstarken Chips, profitierte zuletzt vor allem vom Investitionsboom durch den Mega-Trend „Künstliche Intelligenz“ und berichtete am 25. Mai über ein beeindruckend gutes Quartalsergebnis. Der Kursanstieg nur an diesem einem Tag lag bei 184 Mrd. US-Dollar. Damit hat dieses Unternehmen an einem Tag mehr an Wert dazu gewonnen, als die gesamte Wiener Börse insgesamt an Wert hat. Die Marktkapitalisierung in Wien liegt bei ca. 120 Milliarden EUR. Übrigens: Die Erwartung für den Umsatz von NVIDIA 2023 liegt im Bereich von 35 bis 40 Milliarden US-Dollar. An der Börse wird das Unternehmen aktuell mit dem etwa 30-fachen eines Jahresumsatzes bewertet, nicht eines Jahresgewinnes.
Apple und Microsoft machen mittlerweile über 14% des Indexgewichtes des breiten amerikanischen Aktienindex aus, welcher aus 500 Titeln besteht. Die fünf Top-Titel nach Marktkapitalisierung machen knapp 25% des Index aus, was historisch einzigartig ist. Etwa 90% des Indexzugewinnes 2023 kommen aus den Schwergewichten Apple, Microsoft, Amazon, Meta/Facebook, Google/Alphabet, Tesla und Nvidia. Etwa 10% kommen aus den restlichen 493 Unternehmen, die seit Jahresbeginn in Summe nur marginal im Plus sind und sich seitwärts entwickeln. Hätte man die 500 Titel des Index gleichgewichtet gekauft, so läge der Ertrag 2023 um etwa 10% hinter dem Ertrag des kapitalgewichteten Index, zuletzt gab es so einen Abstand im Jahr 1999. Muss sich dies alles unmittelbar ändern? NEIN, es handelt sich jeweils um sehr erfolgreiche Unternehmen. Dennoch ist es wichtig zu wissen, dass erstens die sogenannte Marktbreite vor allem in den USA völlig fehlt und zweitens die Zinserhöhungen sehr wohl im breiten Markt Wirkung zeigen, während der Gesamtmarkt durch die Indexschwergewichte sich vergleichsweise gut hält.
 

WER “A“ SAGT,…

Die klare Mehrzahl aller globalen Indices ist kapitalgewichtet, das heißt die Gewichtung im Index basiert auf der Börsenkapitalisierung. In vielen Fällen wird dabei nicht der gesamte Börsenwert, sondern der Wert des Streubesitzes angenommen. Ein vergleichsweise extremes Beispiel zeigt auch der Leitindex ATX an der Börse Wien. Die ERSTE Bank macht knapp 20% des Index aus. Titel wie Lenzing, Palfinger oder Telekom Austria liegen bei Gewichtungen von 1% bis 2%. Würde man mit einem rationalen Zugang wirklich bei einem persönlichen Wien-Depot eine Aktie um 10 oder 20 mal höher gewichten als eine andere, nur weil die Marktkapitalisierung und der Streubesitz höher sind? Wohl kaum. Beachtenswert ist auch die Konstruktion vieler Anleiheindices, nachgebildet in vielen Indexfonds. Jener Emittent mit den höchsten ausstehenden Schulden wird im Index am höchsten gewichtet. Im Fall der gängigen Staatsanleiheindices aus dem EURO- Raum sind dies Frankreich und Italien, in der Regel gemeinsam mit etwa 45% gewichtet. Zudem legt der Emittent der Anleihe, also der Schuldner, die Konditionen fest. Sind die Zinsen tief, so wird man eher sehr lange laufende Anleihen ausgeben. Sind die Zinsen hoch, will man sich wohl nur mit kürzer laufenden Anleihen verschulden. Die durchschnittliche Restlaufzeit des EURO-Staatschuldenindex hat sich seit 2010 von damals 5 Jahren auf zuletzt 7 bis 8 Jahre erhöht, was naturgemäß den Anleihecrash 2022 verstärkt hat. Würde man mit einem rationalen Zugang bei einem privaten Anleihedepot den Schuldner mit den höchsten Schulden am höchsten gewichten, in Tiefzinsphasen lang laufende Anleihen und in Hochzinsphasen kurz laufende Anleihen kaufen? Wohl kaum.
Die Zusammensetzung des renommierten und allgemein anerkannten Aktienweltindex sieht aktuell eine Gewichtung von US-Dollar von knapp 70% und eine Gewichtung des EURO-Raums von unter 10% vor, eben auch basierend auf der Börsenkapitalisierung. Würde man ohne dieses Indexwissen und unbeeinflusst ein individuelles Aktiendepot aufbauen und diese Gewichtung als regionaler Investor wählen? Wohl kaum.
 

… MUSS AUCH „B“ SAGEN.

Wir wollen die Logik der Indices an dieser Stelle nicht werten und bewerten, wir wollen nur Bewusstsein schaffen. Es ist klarerweise völlig legitim, dass Fondsinvestoren ihr investiertes Produkt und ihren aktiv verwalteten Fonds mit einem Index und einer Benchmark vergleichen und auch ein vergleichbares Ergebnis erwarten. Es ist zu respektieren, dass auch die Aufsichtsbehörden im Reporting von Anlageprodukten einen Vergleich mit den Indices vorschreiben. Aber: Wer „A“ sagt, muss aber auch „B“ sagen. Wer die Indices im Aktien- und Anleihebereich als einzige Messlatte des Anlageerfolges definiert, muss auch dazusagen: JA, ich respektiere die hohe Konzentration auf einzelne Emittenten oder Unternehmen. JA, ich akzeptiere die Logik von Indexzusammenstellung und JA, ich hätte das gerne auch in meinem Depot so umgesetzt.
 

DIE KONZENTRATION AUF DAS HEUTE

Es ist eine bekannte Eigenschaft des Menschen, den Ist-Zustand – ob gut oder schlecht – tendenziell auch in die Zukunft fortzuschreiben. Auch am Finanzmarkt ist der Blick oft zu sehr auf das tagesaktuelle Geschehen konzentriert. Der US-Schuldenstreit prägte die Berichterstattung im Mai, erfahrene Börsianer kennen dieses Thema, da es immer wieder auftaucht. Die politische Diskussion ist präsent, greift aber zu kurz. Es fehlt vielmehr eine breite grundsätzliche Diskussion. Die US-Regierung hat ein Ausgabenproblem, die Verschuldung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt liegt jenseits von 120%. In Zeiten von Nullzinsen und intensiver Globalisierung kein Problem. Es ändern sich aber aktuell zwei Dinge. Die Nullzinszeit ist vorbei und die Kosten der Staatschulden steigen, auch für die USA. Dazu kommt, dass „alle Welt“ US-Staatsanleihen kauft und damit die US-Schulden finanziert, in dieser Form lässt sich das nicht fortschreiben. Viele Länder, vor allem aus Asien, aus Lateinamerika und auch aus dem Arabischen Raum, wollen ihre Abhängigkeit vom US-Dollar reduzieren. Damit werden sich auch die Rahmenbedingungen für die USA verkomplizieren, auch wenn dies eine Entwicklung über viele Jahre ist.
Auch im Bereich der Inflation ist der Blick sehr auf das aktuelle Geschehen beschränkt. Die Sondersituation Österreichs lassen wir an dieser Stelle außen vor. Vor der Inflationswelle zeigten steigende Input-Kosten, von Energie über Rohstoffe bis Vormaterialien, einen deutlichen Anstieg und damit klare Inflationsrisiken am Horizont an. Wir alle waren aber verwöhnt von einem Jahrzehnt ohne Inflation und es fiel schwer, sich auf neue Umgebungen einzustellen. Selbst die Notenbanken in den USA und in der EURO-Zone verwendeten lange den Begriff „temporär“, wie wir heute wissen zu lange. Aktuell sehen wir das Gegenteil. Die Rohstoffpreise fallen deutlich, die Lieferketten erholen sich rasch und die Input-Preise für die Unternehmen fallen auch, teilweise sogar markant. Der Konsens und die öffentliche Diskussion lassen aber noch keine Gegenmeinung zur Inflation zu, da wir das aktuelle Niveau als normal einstufen. Noch ist es zu früh sich hier klar zu positionieren. In der Geldanlage gilt es aber in Szenarien zu denken. Auch wenn es heute noch als unwahrscheinlich gilt, sollte man auch das Szenario, dass im Umfeld von Konjunkturschwäche, sinkenden Inputpreisen und Basiseffekten die Inflation in einigen wenigen Quartalen deutlich stärker sinken könnte als heute Konsens ist, im Hinterkopf behalten.
Der Monat Mai brachte im globalen Umfeld sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen in einem eher ruhigen Umfeld eher wenig neue Erkenntnisse und eher eine Fortsetzung von Seitwärtstrends. Gerade diese Phase ohne Tageshektik sollte man nutzen, sich grundsätzlicheren Überlegungen zu widmen.


Ihr Alois Wögerbauer

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