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Zurück Von „historischer Rezession“ zum „Wachstumsschock“

Editorial I Fondsjournal Juli 2021

Von „historischer Rezession“ zum „Wachstumsschock“

Es sind und bleiben bemerkenswerte Zeiten. Im Juni 2020 war „historische Rezession“ der zentrale Begriff der Berichterstattung. Zwölf Monate später dominieren im Juni 2021 Begriffe wie „Wachstumsschock“ und „Lieferengpässe“ die Medien- und Wirtschaftswelt. Mit kurzfristigem taktischem Handeln in diesem Umfeld Geldanlage zu betreiben ist nur sehr bedingt erfolgsversprechend.
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Vieles, was mit dem Blick in den Rückspiegel heute so klar erscheint, war vor sechs oder zwölf Monaten mit Blick durch die Frontscheibe eben nicht so klar. Insofern bleibt als ein Fazit von vielen die so gar nicht neue Erkenntnis, dass der strategische Blick mehr denn je wichtig ist. Entschieden wird der Erfolg in der Geldanlage nicht vom täglichen Handeln, sondern vom Erkennen der übergeordneten Trends. Die Weltwirtschaft birgt grundsätzlich ein solides Wachstumspotential in sich, dies kann aufgestaut und verzögert, aber nicht aufgehalten werden. Die Innovationskraft ist hoch. Höhere Zinsen sind in einer Welt „nach Corona“ noch weniger leistbar als vorher. Die sogenannten Zinswenden werden daher Scheingefechte bleiben. Sachwerte generell und Aktien speziell haben daher im übergeordneten Trend grundsätzlichen, strukturellen Rückenwind, gerade auch im Umfeld steigender Inflationserwartungen.

 

10 Gedanken zur Halbzeit 2021

Halbzeit. Dies kann auch in der Geldanlage ein guter Zeitpunkt sein, die eigene Positionierung zu überprüfen und einen Matchplan für die zweite Hälfte zu entwickeln. Gerade nach diesen so unplanbaren Monaten der Jahre 2020 und 2021 gilt mehr denn je der Blick Richtung Horizont – und nicht auf die täglichen Wellen.

1) Breite Aufstellung ist keine Phrase, sondern Pflicht

Digitalisierungschampions, sogenannte „Stay-at-Home-Aktien“, waren die klaren Gewinner im Umfeld der Pandemie im Jahr 2020. Die Marktbreite hat sich seit November 2020 im Umfeld der ersten Impfhoffnungen aber dann deutlich verbessert. Dies ist eine gute Entwicklung und wird von vielen Skeptikern zu wenig beachtet. Amazon – nur als ein symbolisches Beispiel – konsolidiert seit knapp einem Jahr seitwärts und wird daher billiger, da die Unternehmensgewinne steigen. In dieser Zeit feierten Value-Titel ein Comeback, solide Dividendenzahler waren gesucht, Rohstofftitel wurden neu entdeckt und Nebenmärkte wie Österreich holten massiv auf. Dies ist eine gesunde Entwicklung. Einseitigkeit ist nie gut. Achten Sie auf Ausgewogenheit im Depot. Wachstumsaktien gehören in jedes Depot, aber eben nicht nur.

2) Unternehmensgewinne überraschen positiv

Ausnahmen gibt es immer. Gerade als Fazit der vergangenen Monate bleibt aber, dass die Gewinnqualität der Unternehmen über faktisch fast alle Branchen hinweg beeindruckend positiv ist. Der gerade im heimischen Umfeld vorhandene Fokus auf Gastronomie und Tourismus ist emotional nachvollziehbar, birgt aber rational die Gefahr eines falschen Gesamtbildes in sich. Im globalen Blick liegt die Wachstumserwartung für die Weltwirtschaft im Jahr 2021 bei 6 %. Der Rückenwind der guten Gewinne sollte auch in den kommenden beiden Quartalen anhalten. Mit Blick auf 2022 könnten sich einige dunklere Wölkchen am Himmel entwickeln, die es zu beobachten gilt. Die steigenden Einkaufskosten werden nicht immer voll an den Endverbraucher weitergegeben werden können und der Lohndruck wird zunehmen. Beides zusammen wird die Margen anknabbern.

3) Digitalisierung ist nicht gleich „Internet“

Als Folge der Corona-Pandemie wurden die Investments und Fortschritte im Bereich der Digitalisierung der kommenden drei oder mehr Jahre in nur einem Jahr vorweggenommen. Aber Digitalisierung ist nicht gleich Internet, sondern findet breit statt, in allen Bereichen der Wirtschaft und der Industrie über alle Branchen hinweg. Dazu kommt, dass dies wohl eine Entwicklung ist, die das gesamte Jahrzehnt prägen wird. Der Anstieg der Produktivität ist in vielen Bereichen klar ersichtlich und wird tendenziell eher unterschätzt, da dieser Effekt in wesentlichen Teilen nachhaltig bleiben wird. Diese Produktivitätssteigerungen erhöhen auch die Unternehmenswerte.


4) Die Notenbanken moderieren…

…und sie moderieren gut. Es bleibt ein nüchternes emotionsloses Fazit. Die Macht der Notenbanken war vor Corona riesig und ist nach Corona noch riesiger. Das kann man alles gebetsmühlenartig kritisieren. Es wird sich aber nicht ändern, insofern ist es besser die nötigen Ableitungen zu ziehen. Daneben ist vor allem in den USA und in Europa ein eng abgestimmtes Vorgehen mit der Politik festzustellen. Gerade die US-Fed schafft mit gut gewählten Worten eine Balance zwischen „Beruhigen“ und „Warnen“. Zudem sind viele Weichen bereits gelegt. Schon vor einem Jahr hat die US-Notenbank angemerkt, dass man zukünftig nicht die Inflationsrate eines Jahres für den Zinsentscheid heranziehen wird, sondern einen Schnitt mehrerer Jahre. Ein Satz, den Sie in den kommenden Wochen definitiv wieder hören werden. Es wäre auch absurd, würden die Notenbanken nach den Anstrengungen des vergangenen Jahres diese durch Zinserhöhungen schon jetzt gefährden.


5) Inflation? Wie hoch und wie lange…

Mit Juni 2021 lag die US-Inflationsrate zuletzt bei markanten 5 %, was vor allem die Anleihemärkte überraschend gelassen wegsteckten. Die von der Notenbank kommunizierte These des „Basiseffektes“ und der „temporären Erscheinung“ ist Marktkonsens. Aber gerade weil es Marktkonsens ist, ist es auch genauso im Markt gepreist und bleibt daher intensiv zu verfolgen, eventuell auch neu zu bewerten. In jedem Fall bleibt es der wichtigste Wegweiser im zweiten Halbjahr. Aber muss der Weg der Notenbanken falsch sein? Man kann in einer komplexen internationalen Wirtschaftswelt nicht einfach in einem Lehrbuch nachschlagen. Eine Überhitzung der Wirtschaft durch Euphorie, durch Überinvestitionen und mit klassischen Anzeichen einer überhitzenden Konjunktur ist sicherlich mit Zinserhöhungen zu bekämpfen. Aber: Wir haben eine durch einen externen Effekt aufgestaute Nachfrage, die sich entlädt. Wir haben Probleme in den Lieferketten. Wird sich am globalen Chipmangel etwas ändern, nur weil die Zinsen steigen? Wohl nicht. Und es kommt auch kein Frachtschiff aus Asien schneller an, nur weil die Notenbanken agieren.


6) Was ist teuer?

Selbst langjährig erfahrene Börsianer sollten mit der Festlegung von klaren Zahlen, ab wann der Aktienmarkt „teuer“ ist, vorsichtig sein. Das KGV des DAX-Index liegt über dem 20-Jahresschnitt. So lautet eine klassische Aussage, die aber eben nur die halbe Wahrheit ist. Die risikolose 10-jährige Staatsanleihe Deutschlands liegt heute knapp unter der Null-Linie und lag vor 20 Jahren bei 6 %. Ein KGV von 18 bei einem Zins von Null ist billiger als ein KGV von 12 bei einem Zins von 6 %. Dieser direkte Zusammenhang wird immer noch zu wenig bewertet. Dazu kommt, dass der globale Anlagebedarf unverändert hoch ist. Nicht nur in den USA sind die Barvermögen der Bevölkerung höher als vor Corona. Der strukturelle Drang Richtung Anlage wird bleiben, wenn auch mit temporären Rückschlägen, die schwer zu timen sind.


7) Die Chancen…

Im Bereich der Anleihen gilt kreatives und behutsames Vorgehen. Investiert zu sein war besser als an der Seitenlinie zu warten, wieder einmal. Breit diversifizierte Anleihestrategien – siehe auch unser 3 Banken Renten-Dachfonds – sind seit Jahresbeginn im Plus. Inflationsschutzanleihen, solide laufende Unternehmensanleihen und die zuletzt erhöhte Quote von Emerging-Markets-Anleihen haben geholfen. Im Aktienbereich achten wir derzeit auf eine ausgewogene Mischung aus Growth und Value. Auch wenn unser Motto seit vielen Jahren „Mut zur Meinung“ ist, so kann es auch Phasen geben, in der die Merkmale für eine klare Positionierung zu dünn sind. Achten Sie eher auf eine grundsätzlich hohe Aktienquote und weniger auf die nächste Branchenrotation.


8) Die Risiken…

Auf Ebene der Weltpolitik gibt es immer kleinere „Baustellen“. Wir sehen aber aktuell kein Thema, das eine wesentliche Kapitalmarktrelevanz haben könnte. Gerade in diesen Tagen und gerade in unseren Breitengraden erscheint Corona als „im Griff“. Für das gesamte zweite Halbjahr Entwarnung zu geben, wäre aber zu einfach. Eine kleinere Korrektur bei meist dünnen Märkten im August wäre angesichts der Erfahrungen der vergangenen Jahre nicht ungewöhnlich. Sie bedeutet keine Trendwende und ist auch kein Grund für eine grundsätzliche Neuaufstellung. DAS Thema des zweiten Halbjahres wird die Inflationsrate bleiben. Ab Herbst wird sich weisen, ob die These des Basiseffektes zu halten ist. In der Kombination aus Wirtschaftswachstum und Inflation sind gerade die US-Zinsen am langen Ende bemerkenswert tief. Ein neuerliches Aufflackern der 10-jährigen Staatsanleihe-Renditen in Richtung 2 % würde zumindest für erhebliche zwischenzeitliche Schwankungen sorgen.

9) Ein Seitenblick zu Aktien Wien

Die ausgezeichnete Entwicklung des Jahres 2021 ist zu relativieren, da vieles davon ein Aufholeffekt zum enttäuschenden Jahr 2020 ist. Wien ist Value pur. Wir sind davon überzeugt, dass immer noch zu viele Investoren in Value untergewichtet sind. Dies muss und wird kein Trend für das Jahrzehnt sein; wir erwarten uns aber auch für das zweite Halbjahr eher Rückenwind. Auch die Signale des spätzyklischen Marktes Osteuropa waren zuletzt ermutigend. Dazu kommt: Eine Zinswende in der EURO-Zone ist weit und breit nicht in Sicht. Die Dividendenrenditen der in Wien notierten Unternehmen liegen aber im Schnitt jenseits der 3 % Marke. Eine Tatsache, die oft in Vergessenheit gerät, aber auf Sicht ein  starkes Argument ist.

10) Ein Seitenblick zu Gold und Rohstoffen

Wir haben seit vielen Jahren zu Gold einen unveränderten Zugang. Eine isolierte Betrachtung als einzelne Asset-Klasse bringt wenig Mehrwert. Ein Blick auf Gold auf Basis der Portfolio-Theorie macht Sinn, gerade im Umfeld der unklaren Entwicklung auf Ebene der Notenbankaktivitäten und der Inflation. Wir bleiben investiert, ändern aber die Gewichtungen nicht mit jeder Korrektur und jedem Rebound. Die zuletzt starke Entwicklung der Industriemetalle ist stimmig, auch vor dem Hintergrund vieler Infrastrukturprogramme. Auch hier bleiben wir unseren Beimischungen treu. Wir wiederholen aber unsere Empfehlung, dass diese Asset-Klassen gemeinsam 10 % des Anlagevolumens eher nicht überschreiten sollten.

EIN FAZIT

Viele der übergeordneten Trends, die wir auch an dieser Stelle wiederholt beschrieben haben, sind aufrecht. In Summe gibt es derzeit keinen Grund für überbordenden Optimismus oder Pessimismus. Die Demut vor dem Finanzmarkt ist treuer Begleiter unserer Strategien. Dennoch gehen wir in die kommenden Sommermonate mit der Überlegung, die man am besten wohl unter „sehr wachsame Gelassenheit“ zusammenfassen könnte.

P.S.: Wir melden uns mit unserem Monatskommentar zurück mit Beginn September. Wir danken Ihnen für das breite Vertrauen. Als Fondsgesellschaft können wir das beste Halbjahr unserer Unternehmensgeschichte verzeichnen. Unsere Kundengelder sind um etwa 1,1 Milliarden EUR gewachsen auf nunmehr 11,7 Milliarden EUR.

Ihr Alois Wögerbauer

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