Dies war unser Ratschlag im Rahmen unseres Juli-Kommentars vor der Sommerpause. Wir schreiben diese Empfehlung auch für die kommenden Wochen fort. Die geopolitischen Herausforderungen mit dem Schwerpunkt der Energiethematik sind ungelöst. Der Übergang von einer Nullzinswelt in ein neues Notenbankregime kann nicht friktionslos gehen, ist aber richtig und alternativlos. Alle diese Dinge brauchen Zeit und sind keine Frage von wenigen Wochen oder Monaten. Genauso ist Geldanlage keine Frage von Wochen oder Monaten. Wenn die Notenbanken ihre Entscheidung „datenabhängig“ machen, wenn Unternehmen es unmöglich ist, einen klaren Ausblick abzugeben, dann ist in der Geldanlage die Zeit der strategischen Entscheidungen mit mittel- bis längerfristigem Blick. Der Fokus auf die Tagesaktualitäten bringt keinen Mehrwert.
US-NOTENBANK BLEIBT AUF KURS
Die Aussagen von FED-Chef Powell im Rahmen des jüngsten Meetings waren bemerkenswert klar. Im Prinzip kann die US-Notenbank aktuell zwei Fehler machen. Man könnte einerseits in der Inflationsbekämpfung zu zögerlich sein, damit könnten die Inflationserwartungen weiter steigen und man müsste dann umso stärker gegensteuern. Man könnte andererseits die Zinsen zu rasch und zu deutlich erhöhen, was die Finanzmärkte in Turbulenzen bringen und die Wirtschaft in die Rezession führen kann.
Jerome Powell hat klar gemacht, dass man sich entschieden hat und zweiteren Fehler potentiell in Kauf nimmt. Dies kann zwar schmerzvoll sein, aber die effiziente Inflationsbekämpfung steht über allem. Damit macht die Notenbank das, was sie für richtig hält und nicht das, was vielleicht der Finanzmarkt hören will. Ungeachtet der tagesaktuellen Folgen ist dies richtig, sichert die Glaubwürdigkeit und bringt Handlungsspielraum für die Zukunft. Wie oft in den vergangenen Jahren wurde in vielen Kommentaren die globale Vormachtstellung des US-Dollars in Frage gestellt. Diese These war immer falsch und wird es auch bleiben. In zwölf Monaten dürfte der US-Leitzins bei etwa 3,75 % stehen – versehen mit Hinweis: Abhängig von der Datenlage.
DIE EZB SUCHT IHREN KURS
Die EZB hat diesen Vorteil dieser klaren Ausstrahlung und Glaubwürdigkeit nicht – oder nicht mehr. Jede der kommenden Zinserhöhungen wird den Beigeschmack von „zu spät“ oder „auf Druck der Öffentlichkeit“ haben, aber nicht mit der klaren Botschaft versehen sein: Wir tun, was wir für richtig finden. Fairerweise muss man anführen, dass die Konjunkturrisiken in der EURO-Zone aufgrund der Energiethematik vergleichsweise höher sind. Die aktuellen Markterwartungen gehen davon aus, dass sich der Leitzins in den kommenden zwölf Monaten bei 2 % bewegen wird, das sollte es dann aber gewesen sein.
ZINSEN, INFLATION UND STAATSSCHULDEN
Wenig überzeugend sind Aussagen, dass sich die Staaten keine höheren Zinsen leisten können. Erstens war die Refinanzierung fast ein Jahrzehnt sehr günstig, zweites sprudeln dank Inflation die Steuereinnahmen und drittens wird die Höhe der Staatsverschuldung klassisch in Relation zur Wirtschaftsleistung gemessen, allerdings wird hier das nominelle Bruttoinlandsprodukt angesetzt, also jenes inklusive Inflation. Im Falle einer leichten Rezession bei hoher Inflation würde dieses BIP deutlich steigen, was die relative Schuldenkennzahl reduziert.
Wünschenswert wäre eine klarere Kommunikation und Abstimmung zwischen EZB und den Aktionen der Staaten. Es ist unstrittig, dass die aktuelle Inflation an zu wenig Angebot und nicht an zu viel Nachfrage liegt. Die Notenbanken können das Angebot nicht steuern oder verändern und haben sich daher entschieden, über Zinserhöhungen die Nachfrage zu dämpfen. Der einzig richtige und mögliche Weg. Wenn die Politik aber zuerst Zinserhöhungen durch die Notenbank fordert und dann gleichzeitig mit undifferenzierten „Schecks und Geldzuwendungen“ den teilweisen Wohlstandverlust wieder abwenden will, dann ist das wohl nicht zu Ende gedacht…
DIE TRIFFTIGEN ARGUMENTE DER BULLEN
Die Marktoptimisten verweisen darauf, dass eine normale milde Rezession eingepreist ist, vor allem in den Renditen und Kursen von Anleihen. Es gibt hohe Cash-Quoten, hohe Dividenden werden in den Aktienmarkt reinvestiert, es gibt einen hohen Pessimismus im Markt, einen hohen Bestand an Leerverkäufen. Zudem sind die Aktienbewertungen auf Basis der Gewinnerwartungen für die kommenden zwölf Monate deutlich zurückgekommen – auch im historischen 10-Jahresvergleich. Alle Argumente sind sachlich korrekt.
DIE TRIFFTIGEN ARGUMENTE DER BÄREN
Die Marktpessimisten verweisen darauf, dass der zentrale geopolitische Konflikt ungelöst ist, mit China eine weitere Unberechenbarkeit dazukommt, die Energiethematik erst noch voll in den kommenden Monaten mit allen negativen Effekten breit in der Bevölkerung ankommen wird, die Gewinnmargen der Unternehmen in den kommenden Monaten deutlich unter Druck kommen könnten und das Gemisch aus Zinserhöhungen bei gleichzeitigen Rückführungen der Notenbankbilanzen brisant und nicht kapitalmarktförderlich ist. Alle Argumente sind sachlich korrekt.
BULLEN UND BÄREN – UNSER FAZIT
Wir beobachten und bewerten die Argumente beider Lager – mit einer Tendenz zur Argumentation der Bullen. Daher lautet unser auch an dieser Stelle oft zitiertes Motto: Wir fahren auf Sicht, aber wir fahren. Bevor wir Allokationsentscheidungen umsetzen, sind aber grundsätzliche Festlegungen zu treffen. Erstens vertrauen wir auf die Kapitalmarkteffizienz, wonach alle bekannten Informationen – wie gut oder wie schlecht auch immer – in den aktuellen Kursniveaus abgebildet sein sollten. Nur NEUE Informationen oder veränderte Konsenserwartungen sind Anlass für neue Allokationen. Zweitens zwingen wir uns zu einem globalen Blick. Der Fokus auf die Informationswellen der regionalen Umgebung in Österreich und Deutschland bringt eine hohe Abhängigkeit von der Industrie und eine hochkomplexe Umgebung im Bereich der Energie. Diese unstrittigen Wahrnehmungen dürfen aber nicht auf die globale Meinung ausgerollt werden. Megatrends wie Gesundheit oder Digitalisierung sind ungebrochen, mit der nötigen Energiewende baut sich eine weitere internationale Investmentstory auf.
UNSERE JÜNGSTEN ALLOKATIONEN
Wir haben auf Basis der erwarteten Seitwärtstrends in den Sommermonaten keine wesentlichen Strategieänderungen vorgenommen.
- Im Anleihebereich kaufen wir in Schwächephasen gerne zu.
Wir sehen vor allem Renditen bei Unternehmensanleihen
im Bereich von etwa 3,5 % bei einer Restlaufzeit von fünf bis
sechs Jahren als attraktiv an, da dies auch in etwa – nach der
Spitze in den kommenden beiden Quartalen – unserer mittelfristigen
mehrjährigen Inflationserwartung entspricht.
Wir haben zuletzt auch Beimischungen in Hochzinsanleihen
oder Emerging-Markets-Anleihen in Lokalwährungen getätigt,
da durch den hohen Zinsvorsprung mittlerweile der
Risikopuffer attraktiv ist.
- Wir haben zuletzt in den diversen gemischten Mandaten
die Auslastung der Aktienhöchstquote von 65 auf 60 %
reduziert, mit dem Ziel bei Schwäche wieder zuzukaufen.
Wir achten auf den globalen Blick und vermeiden einseitige
Branchenübergewichtungen oder einseitige Stil-
Festlegungen wie Growth/Value.
- Auch wenn Gold grundsätzlich angesichts Inflation und
Geopolitik enttäuscht hat, halten wir an unserer untergewichteten
Beimischung fest. Die positive Performance von
Gold 2022 hilft im Portfoliokontext, ist aber rein auf die
Dollarstärke zurückzuführen. Man darf sich nach dem Motto
„right for the wrong reasons“ nicht selber anlügen.
- Auch an den Beimischungen von Industriemetallen wie
Kupfer & Co halten wir fest. Wir nehmen die kurzfristigen
Schwankungen in Kauf, da die langfristige Logik überzeugt.
„Data dependent“ – so die Formulierung in vielen Notenbankaussendungen der vergangenen Wochen. Auch unsere Gewichtungen sind „datenabhängig“ mit möglichen Änderungen in alle Richtungen. Geprägt ist dies durch die Grundüberzeugung, dass bei emotionsloser Analyse, welche nie ganz möglich ist, auch wenn man sich das vornimmt, auf den aktuellen Niveaus von Aktien und Anleihen bei einem Anlagehorizont von drei bis fünf Jahren die Chancen die Risiken überwiegen.
Geprägt ist dies auch von der Überzeugung, dass die aktuellen Notenbankregimeänderungen komplex sind – aber alternativlos. Nur dadurch kann eine wieder normale Finanzwelt geschaffen werden, in der Risiken wieder ansprechend gepreist werden, was die fundamentale Basis jeder Geldanlage darstellt.
Ihr Alois Wögerbauer
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