Warren Buffett ist sicherlich jene Person, die wir mit Abstand in unseren Kommentaren am öftesten zitiert haben. Da er jüngst seinen Rückzug per Jahresende angekündigt hat, ist es nahezu eine Pflicht, ihn in dieser Ausgabe zu Wort kommen zu lassen. In den aktuell meldungsintensiven Zeiten passt folgende Aussage wohl am besten: „Es ist besser, ungefähr recht zu haben, als sich tödlich zu irren”. Ungefähr recht haben, kann man nur dann, wenn man einen grundsätzlichen Plan hat und Extrempositionen, positive wie negative, vermeidet. Neben unserer Rolle als Assetmanager sehen wir uns auch als Begleiter. Wir haben daher die zuletzt am häufigsten an uns gestellten Fragen für Sie zusammengefasst.
Frage 1
US-ZÖLLE – WAS SIND DIE FOLGEN FÜR DIE WELTWIRTSCHAFT?
Da die finalen Zölle nicht klar sind, sind auch die Auswirkungen noch nicht klar abschätzbar; für exakte Prognosen ist es daher zu früh. Die jüngsten Konsenserwartungen des Internationalen Währungsfonds und der wesentlichen globalen Investmenthäuser bewegen sich bei einem Wachstum 2025 von real etwa 2,6 %. Die Erwartungen für die EURO-Zone liegen bei leicht unter 1 %, jene für die USA bei etwas über 1 %. Diese Zahlen werden grob auch für das Jahr 2026 gesehen. Eine globale Rezession oder eine Rezession in den USA sind definitiv nicht zu erwarten. Auffällig ist, dass der Wachstumsvorsprung der USA zu Europa deutlich geschrumpft ist.
Frage 2
US-ZÖLLE – WAS SIND DIE FOLGEN FÜR DIE INFLATION?
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Zölle einen Einmaleffekt darstellen, aber keinen sich wiederholenden Effekt über Jahre. Die mittelfristigen Auswirkungen dürfen daher nicht überschätzt werden – und auch Zinserhöhungen wären eine wirkungslose Antwort auf Zölle. Der schwache US-Dollar reduziert zudem die Importpreise in der EURO-Zone, was preismildernd wirkt. Wir gehen daher davon aus, dass sich die Inflationsraten grob im Rahmen der Notenbankerwartungen bewegen, in der EURO-Zone wohl nahe 2 % und in den USA wohl nahe 3 %. Was die EURO-Zone betrifft, erinnern wir daran, dass Anleihen aktuell Renditen liefern, welche doch deutlich über der Inflationsrate liegen. Das ist keine Selbstverständlichkeit.
Frage 3
US-STAATSSCHULDEN WERDEN THEMATISIERT – IST DIE LAGE ERNST?
Prinzipiell ja, was nicht bedeutet, dass eine Eskalation bevorsteht. Es bleibt aber festzuhalten, dass die Märkte ein an und für sich bekanntes Thema aktuell stark in den Vordergrund stellen. Wichtig ist es, immer Bezüge herzustellen. In Relation zu einer jährlichen Wirtschaftsleistung bewegen sich die US-Schulden Richtung 130 %; in Europa entspräche dies einer Mischung aus Italien und Frankreich. Das Problem der USA ist, dass im globalen Vergleich hohe Zinsen bezahlt werden müssen. Der jährliche Zinsendienst, ohne einen Dollar getilgt zu haben, liegt 2025 bei knapp 1000 Milliarden Dollar. Dies entspricht 4,4 % der jährlichen Wirtschaftsleistung der USA. In Deutschland liegt diese Zahl aktuell bei 0,60 %, in Österreich bei 1,0 %. Zudem stehen in den USA in den kommenden beiden Jahren rekordhohe Refinanzierungen an. Achten Sie daher in den kommenden Wochen und Monaten immer auf die Rendite der langlaufenden US-Staatsanleihen, sie werden sich zum zentralen Stimmungsbarometer für die globalen Finanzmärkte entwickeln.
Frage 4
IST DER US-DOLLAR ABWERTUNGSGEFÄHRDET?
Grundsätzlich ja, wir raten aber von hektischen Vorgriffen ab. Seit zwei Jahrzehnten gilt - beziehungsweise galt - der US-Dollar als sicherer Hafen in schwierigen Phasen; dieses Image ist angekratzt bis verloren. Wir denken nicht, dass sich diese oft einseitigen Kapitalströme fortsetzen. Eine vergleichsweise höhere Inflation und ein vergleichsweise höherer Schuldenstand sind keine gute Ausgangsbasis. Zudem geht aus allen Strategiepapieren der Trump-Administration hervor, dass man sich grundsätzlichen einen schwächeren US-Dollar wünscht. Bei diesem Thema werden im Gegensatz zu anderen Themen auch die großen US-Konzerne nicht widersprechen. Echtes großes Warnsignal wäre, wenn die US-Notenbank zur Sicherung der Staatsfinanzierungen Staatsanleihen kaufen würde bzw. müsste, weil die Märkte dies erfordern. Wichtig bleibt aber eine gesamthafte Betrachtung von Währung und Unternehmen. Ein potenziell schwächerer US-Dollar würde die Gewinnausweise der exportstarken US-Großkonzerne positiv beeinflussen.
Frage 5
WARUM HABEN DIE AKTIENMÄRKTE IM APRIL SO RASCH GEDREHT?
Das „Zurückrudern“ von Donald Trump hat eine rasche Gegenreaktion auf die vorangegangenen Kursverluste gebracht; mit harten ökonomischen Fakten ist dies aber nicht belegbar. Weder mit China noch mit Europa sind die Dinge geklärt – und neunzig Tage Aufschub gehen schnell vorbei. Die Analyse der globalen Kapitalströme zeigt im April ein Bild, das selten vorkommt. Die „Privaten“ sind stark in den Markt gegangen, nach dem Motto „Buy the dip“. Die „Profis“ dagegen bleiben vorsichtig. Die jüngste Berichtssaison der Unternehmen brachte ein recht solides Bild, basiert aber auf den Zahlen von Ende März. Grundsätzlich bleibt aber als Erkenntnis der vergangenen Wochen, dass sehr viel Liquidität weiterhin an der Seitenlinie steht, was das Rückschlagspotential der Märke grundsätzlich reduziert. Wir sind weder übervorsichtig noch übereuphorisch und nutzen in unseren Mischfonds die mögliche Aktienhöchstquote mit 70 % aus, den Rest halten wir vorerst zurück, um eine präzisere Datenlage abzuwarten.
Frage 6
GOLD AUF HÖCHSTSTAND – SOLL ICH GEWINNE MITNEHMEN?
Nein, wir tun es nicht. Gold ist eine Währung und kein Rohstoff. Zahlreiche Notenbanken, vor allem aus den Emerging-Markets, wollen ihre Devisenreserven besser diversifizieren, wollen weniger US-Dollar und mehr Gold. Der globale Schuldenstand der Staaten ist hoch, angeführt von den USA. Die Geopolitik ist und bleibt kompliziert. Wir weisen aber einmal mehr darauf hin, dass wir Gold nie als isolierte Asset-Klasse sehen, sondern immer im Kontext mit dem Rest des Portfolios. Eine Gewichtung von 5 % bis 7 % des Ansparvolumens halten wir für angemessen. Deutlich schwächere Kurse würden wir tendenziell als Kaufchance sehen.
Frage 7
ÖSTERREICH: SCHWACHE KONJUNKTUR UND STEIGENDE INLANDSAKTIEN – WIE PASST DAS ZUSAMMEN?
Es ist eine klassische Fehleinschätzung in exportorientierten Ländern von der Inlandskonjunktur auf den Inlandsaktienmarkt zu schließen. Zudem zeigt die Börse sehr selten den IST-Zustand, es wird eher eine Entwicklung der Zukunft vorweggenommen oder eine Fehlentwicklung der Vergangenheit bereinigt. Die führenden und im Wiener Index hoch gewichteten Unternehmen haben wenig mit der Inlandskonjunktur zu tun, es sind europäisch oder global orientierte Unternehmen. Auch in Deutschland waren es die Weltkonzerne SAP, Allianz, Siemens oder Münchner Rück, welche den Anstieg der Börse geprägt haben – und nicht die Branchen Industrie oder Automotive. In Österreich entfallen über zwei Drittel der Umsätze an der Börse auf Auslandsinvestoren. Die globalen Kapitalströme verändern sich, Geld fließt wieder mehr nach Europa, Small- und Mid-Caps werden wieder gesucht, die Leitzinsen werden sinken, Deutschland investiert und der Krieg Russland-Ukraine könnte zu Ende gehen. Dazu waren viele Inlandsaktien einfach zu billig. Wir denken, dass der Aufholprozess noch nicht abgeschlossen ist.
Frage 8
GIBT ES RISIKEN, AUF DIE AKTUELL KEINER ACHTET?
Bemerkenswert ist, dass die Lage in Japan global wenig diskutiert wird - noch. Es ist bekannt als das Land mit jahrzehntelangen Nullzinsen, keiner Inflation und im internationalen Vergleich rekordhohen Staatsschulden. Das aktuelle Zahlenpaket 2025 ist sehr speziell. 0,30 % reales Wirtschaftswachstum bei beachtlichen 2,5 % Inflation. Aber die langfristigen Renditen der Staatsanleihen steigen deutlich, die 10-jährigen liegen bei etwa 1,5 %, die 30-jährigen bei etwa 3 %. Die Wahrscheinlichkeit ist gegeben, dass das „Modell Japan“ früher oder später einem Stress-Test unterzogen wird. Rekordhohe Schulden und steigende Zinsen sind keine gute Kombination. Wir werden einen Blick darauf haben, ohne aktuelle Aktion.
Frage 9
GIBT ES CHANCEN, AUF DIE AKTUELL KEINER ACHTET?
Megatrend ist ein sehr strapazierter Begriff – und „Emerging-Markets“ und „Gesundheit“ wurden in fast allen Aufzählungen als Megatrend eingestuft. Funktioniert an der Börse hat es nicht. China geht seit zehn Jahren seitwärts und hat sich nicht als Kapitalmarktstory etabliert. Gesundheit ist die Enttäuschung der vergangenen Jahre, sowohl Medizintechnik als auch klassische Pharma haben nicht mit der Entwicklung der Märkte mithalten können. Der Gegenwind ist aktuell hoch, da Donald Trump die Medikamentenpreise senken will und China als großen Mitbewerber sieht, den es zu bekämpfen gilt. Aber die Demografie hilft den Gesundheitsthemen und China könnte den E-Autosektor und auch die Künstliche Intelligenz stärker prägen als aktuell Konsens ist. Wann die Trendwende kommt, ist nie klar erkennbar, erste oder erhöhte Positionen machen aber in beiden Segmenten sicherlich Sinn, am besten über monatliche Ansparpläne oder schrittweise Zukäufe.
Frage 10
DIE WELT IST VOLLER PROBLEME, WARUM SOLL ICH DA INVESTIEREN?
Weil es eine Welt ohne Problem nie gegeben hat und nie geben wird. Und weil die Theorie der effizienten Märkte davon ausgeht, dass alle bekannten Informationen in den aktuellen Kursen enthalten sind. Wir teilen diesen Ansatz. „Ich kaufe Gold nicht am Höchststand“ ist emotional nachvollziehbar, aber 2200, 2500, 2800 und 3100 Dollar je Unze waren auch ein Höchststand, aktueller Stand ist knapp über 3300. In den vergangenen 25 Jahren ist die Weltwirtschaft nur zwei mal geschrumpft und hat dies jeweils im nächsten Jahr überkompensiert. Im Aktienbereich investieren wir in erfolgreiche Unternehmen – und nehmen die jeweils aktuell politischen Umstände zur Kenntnis, weil wir sie nicht ändern können und sich auf Sicht immer die erfolgreichen Unternehmen durchsetzen, regional und international. „Die Zukunft ist niemals klar. Schon für ein bisschen Gewissheit muss man einen hohen Preis bezahlen. Deshalb ist die Unsicherheit der Freund von Langfristinvestoren.“ Warren Buffett hat dies wiederholt gesagt – und vor allem gelebt. Der Erfolg gibt ihm Recht.
FAZIT
Damit hoffen wir, Ihre Gedanken etwas geordnet zu haben, damit wir gemeinsam mit Ihnen ungefähr richtig liegen…
Ihr Alois Wögerbauer
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