Eine strategisch aufgebaute Anlagestrategie bedarf keiner täglichen oder wöchentlichen Überprüfung. Investmentpionier Sir John Templeton (1912-2008) hat dies treffend formuliert: „In der Geldanlage zählt nicht der Zeitpunkt, sondern die Zeit.” Selbst der in vergangenen Jahren aus unterschiedlichen Gründen oft recht turbulente August verlief heuer ausgesprochen ruhig, trotz intensiver Meldungslage vonseiten der Geopolitik bis zu – einmal mehr und immer wieder – Donald Trump und seiner massiven Kritik an der US-Notenbank. Nehmen wir den Septemberbeginn als Anlass, das aktuelle Umfeld und die wesentlichen Fragen zusammenzufassen, um die Gedanken für den kommenden Herbst zu ordnen.
Frage 1
WIE IST DIE LAGE DER WELTWIRTSCHAFT?
Einmal mehr sei an dieser Stelle wiederholt, dass für eine globale Anlagestrategie die Lage der Weltwirtschaft entscheidend ist. Versuchen Sie daher die persönliche regionale Umgebung zurückzudrängen. Und einmal mehr ist die Robustheit der Weltwirtschaft bemerkenswert. Der Internationale Währungsfonds hat jüngst seine Erwartungen aktualisiert. Real, also vor Inflation, geht man für die Weltwirtschaft von einem Wachstum 2025 in Höhe von 3 % aus. Damit wurde die Erwartung von April (2,80 %) wieder nach oben angepasst. Globaler Motor ist Indien mit einem Plus von 6 %, die USA werden bei soliden 2 % gesehen und für Deutschland wird ein nur marginales Plus erwartet, es wird dauern, bis die beschlossenen Infrastrukturpakte ihre Wirkung entfalten. Auffällig ist global so wie auch regional, dass die Frühindikatoren nach oben drehen. Noch sind dies nur Erwartungen des befragten Managements, aber die harten Fakten sollten folgen. Der kommende Zyklus dürfte aufwärtsgerichtet sein, wenn auch ohne hohe Dynamik.
Frage 2
WAS PASSIERT AN DER LEITZINSFRONT?
Der europäische Senkungszyklus scheint weitgehend abgeschlossen, die EZB wird auf „Beobachten“ wechseln. Ob im Jahresverlauf noch eine letzte Senkung des Einlagenzinses von aktuell 2 % auf 1,75 % folgt, ist offen, ist wohl aber weder für die Wirtschaft noch für die Börse die ganz entscheidende Frage für das zweite Halbjahr. Dies bedeutet, dass in den kommenden 12 Monaten die US-Leitzinsen im Vergleich wohl wesentlich deutlicher fallen werden, aktuell ist von drei Senkungen zu je 0,25 % auszugehen. Die Angst, dass die US-Inflation aufgrund der Zollpolitik nach oben schießt, erscheint übertrieben. Ja, Importprodukte werden teurer, es darf aber nicht übersehen werden, dass Housing (Miete, Nebenkosten, Instandhaltung) aktuell 42 % und Transport 16 % des Inflationskorbes ausmachen; zuletzt gab es hier keinerlei Preisdruck.
Frage 3
IST TRUMPS ZOLLPOLITIK ERFOLGREICH – AUS SICHT DER USA?
Aus seiner Sicht wohl sicher JA. Zudem muss man emotionslos festhalten, dass er bemerkenswert viele gute Deals aus Sicht der USA durchbringt, die Vereinbarung mit der EURO-Zone ist ein gutes Beispiel. Grundsätzlich ist es aber zu früh für eine finale Beurteilung. Das US-Finanzministerium geht von gut 300 Milliarden US-Dollar Zolleinnahmen im Jahr 2025 aus, 2026 sollen es 500 Milliarden sein. Viel Geld, wenn es denn überhaupt in dieser Form eintritt und umgesetzt wird. Dennoch ist eine Relativierung nötig. Allein der Zinsendienst auf die Staatsschulden der USA wird 2025 etwa 1000 Milliarden US-Dollar betragen. Wie sehr sich mittelfristig Produktionsstandorte verändern, bleibt abzuwarten. Definitiv nicht gelingen wird es mit den Zöllen die hohen Staatsschulden der USA zu reduzieren, die größte Herausforderung der kommenden Jahre.
Frage 4
WIRD DER US-DOLLAR WEITER ABWERTEN?
Auch hier ist vorerst eine Relativierung angesagt. Auch wenn das heurige Minus in der Geldanlage sehr schmerzt, das aktuelle Verhältnis EUR/USD entspricht ziemlich genau dem Stand von vor 10 Jahren, nicht mehr und nicht weniger. Die Bandbreite in diesen 10 Jahren lag bei knapp unter 1,00 und knapp über 1,20. Grundsätzlich ist angesichts der Zinserwartungen und des grundsätzlichen Wunsches der Trump-Administration eine weitere Schwäche des Dollars durchaus wahrscheinlich, dennoch raten wir von vorschnellen Schlüssen ab. Erstens, was den Aktienbereich betrifft, da die sogenannten „Glorreichen 7“ um Nvidia, Amazon, Microsoft & Co aktuell etwa 50 % ihrer Umsätze im Ausland machen, was sich bei einem schwachen Dollar positiv in den Bilanzen niederschlagen wird. Für den gesamten breiten US-Aktienmarkt liegt die Auslandsquote bei immerhin knapp 30 %. Zweitens, weil Währungen immer eine relative Beziehung sind. Ist in der EURO-Zone wirklich alles gut? Die Budgetdefizite sind schnell erhöht, aber dann nur mehr schwer zu senken, siehe auch das Beispiel Österreich. Frankreich ist ein potenzielles Sorgenkind mit einem wieder einmal spannenden innenpolitischen September. Dass sich die Zinsen der Staatsanleihen Frankreichs jenen von Italien annähern, ist ein klares Zeichen des Marktes.
Frage 5
WARUM HALTEN SICH DIE AKTIENMÄRKTE SO GUT?
Es ist bemerkenswert, wie gut die Börsen trotz des komplizierten Umfelds und mancherorts hoher Bewertungen durch die vergangenen Monate gekommen sind. Drei Gründe erscheinen dafür verantwortlich. Erstens ist der globale Veranlagungsbedarf strukturell hoch, bei den Pensionskassen, bei den Versicherungen und auch bei den Privaten. Zweitens ist die abgelaufene Berichtssaison der Unternehmen in Summe gut verlaufen und in vielen Teilen besser als erwartet, auch die US-Tech-Riesen haben die sehr hohen Erwartungen weitgehend erfüllt. Die Konzentration ist weiter hoch, die größten 10 US-Unternehmen stehen für 38 % der Gewichtung des aus 500 Aktien bestehenden breiten Index. Aber sie stehen auch für 30 % der gesamten Unternehmensgewinne. Und es gibt einen dritten Effekt, der etwas Sorge bereitet und den es zu beobachten gilt. FOMO – „Fear of Missing Out“ ist ein Begriff, den es in den sozialen Medien gibt, aber auch an der Börse. Der Begriff beschreibt einfach die Angst, etwas zu versäumen. Auch in meinen persönlichen Gesprächen stellte ich zuletzt oft fest, dass die Angst „nach oben nicht dabei zu sein“ größer ist als das Bewusstsein darüber, welche Risiken man nimmt.
Frage 6
GIBT ES BEREICHE, WO ANLEGER UNTERINVESTIERT SIND?
Wir sehen in den Emerging-Markets Chancen. Historisch haben sinkende US-Zinsen und ein schwacher US-Dollar den Emerging-Markets meist geholfen, da viele Staaten und Unternehmen ihre Schulden in US-Dollar ausstehend haben. Die Anlageerträge der Region waren in den vergangenen 10 Jahren sehr enttäuschend, dementsprechend sind diese Märkte nicht mehr im zentralen Blickfeld, obwohl deren Bedeutung für die Weltwirtschaft massiv gestiegen ist. Wir maßen uns nicht an, die Trendwende dieser Entwicklung exakt zu timen. Jedenfalls erhöht ein Investment die Diversifikation Ihrer Gesamtstrategie. Wir halten uns hier an den Ökonomen und Nobelpreisträger Harry M. Markowitz: „Diversifikation ist der einzige Free Lunch, den es in der Geldanlage gibt.“ In allen unseren Dokumenten und Rechtstexten verwenden wir folgende Formulierung: „In der Vergangenheit erzielte Erträge lassen keine verlässlichen Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Fonds zu.“ Das ist die korrekte Botschaft der Gesetzgebung, dass die Vergangenheit wenig über die Zukunft sagt. Wenn auch anders gedacht, gilt dieser Satz aber auch für in der Vergangenheit schlecht gelaufene Fonds…
DIE ANLAGEWELT IST BUNT…
Die Fondsrating-Agentur Morningstar hat zuletzt analysiert, dass es in den USA mittlerweile mehr ETFs als Aktien gibt. Es existieren mittlerweile über 4.300 ETFs – mehr als die rund 4.200 in den USA gelisteten Aktien. Was einst für Transparenz und Einfachheit stand, entwickelt sich zunehmend zu einem unübersichtlichen Markt. Wir wollen Ihnen Übersichtlichkeit bieten und hoffen, dass wir Ihre Gedanken geordnet und einige Hinweise gegeben haben.
Ihr Alois Wögerbauer
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